Der Krieg in der Ukraine dauert nun schon ein ganzes Jahr, folglich strömen immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland und schlagen auch bei den Tischtennisvereinen auf. „Die Integration der Schutzsuchenden ist eine Aufgabe, die wir als Gesellschaft insgesamt stemmen müssen. Für Vereine ist das eine Riesenchance, denn die ukrainische Familie hat zu einem richtigen Hype bei uns im Verein geführt. Im Training ist die Halle voll, und gerade während beziehungsweise nach Corona hat dies dem TTC Schimborn außerordentlich gutgetan“, berichtet Jugendwart Florian Stein. Für Furore sorgte bereits Yaroslav Kovalchuk, der bei den Bayerischen Meisterschaften der B-Klasse Erster im Einzel und Zweiter im Doppel wurde (und dadurch 99 TTR-Punkte sammelte, aktuell bei 1733 liegt). Heute um 18 Uhr (Update: Austrahlung wohl verschoben auf Montag, 27. Februar) wird über ihn in der BR-Abendschau ein dreimütiger Beitrag gesendet, zudem wird der Bayerische Rundfunk einen fünfminütiger Film in der Youtube-Mediathek einstellen. Zusätzlich wurde auch im Radio (BR1 Mainfranken) bereits ein Beitrag gesendet.
Am Schläger eine Kamera angebracht
Der BR war durch einen Artikel in einer Tageszeitung auf den TTC Schimborn aufmerksam geworden und erschien bereits Ende Januar mit einem Kamera in der Halle. Dabei wurde Kovalschuks Schläger eine Kamera angebracht und auch aus der Vogelperspektive gefilmt. Auch andere Kinder des Vereins wurden interviewt und gaben zum Besten, dass das Interesse am Tischtennis seitdem größer geworden ist beziehungsweise die Schläge verbessert wurden.
Mit „seitdem“ ist der Zeitpunkt gemeint, als Yariks Vater Oleh als Trainer beim TTC Schimborn einstieg. Er soll eine ukrainische Trainerlizenz haben, laut Stein hat er das Niveau einer deutschen B-Lizenz. Er empfiehlt ihm, eine deutsche Lizenz zu machen, jedoch sei der Theorieteil aufgrund der Sprachbarriere schwierig. Zwei Spieler, die achteineinhalb beziehungsweise zwölf Jahre pausiert hatten, haben aufgrund des guten Trainings wieder angefangen. „Der ganze Verein profitiert von der ukrainischen Familie“, freut sich Stein und hofft am Ende der Saison auf mehrere Meisterschaften von TTC-Teams.
Yariks Schwester: Früher Rhythmische Sportgymnastik, jetzt Tischtennis
Yariks Schwester Sofiia (12) hat inzwischen auch mit Tischtennis angefangen, dabei machte sie bisher Rhythmische Sportgymnastik. Sie nahm am Ortsentscheid der mini-Meisterschaften teil und Stein glaubt, dass Sofiia es bis zum Verbandsentscheid schaffen kann. „Denn sie hat inzwischen ein ordentliches Niveau“, bescheinigt er ihr aufsteigende Form.
Schon ein sehr gutes Niveau hat Yarik, der jedoch bei der Deutschen Meisterschaft der B-Klasse nicht antreten darf. Grund ist eine Richtlinie, die besagt, dass ein Spieler zum Stichtag 11. Mai des Vorjahres TTR-Punkte vorweisen muss. Dies ist beim 13-Jährigen nicht der Fall. „Yarik schlägt mittlerweile fast jeden im Verein“, so Stein, der just heute um 18 Uhr ein Training angesetzt hat. Aber deswegen verpassen er und die Spieler nicht den BR-Beitrag, sondern ein Beamer wird in der Halle aufgestellt.
Zwei Mädchen sollen an den Verein gebunden werden
Neben den Kovalchucks, die durch Tischtennis schneller im fremden Deutschland Fuß fassten, trainieren auch noch zwei ukrainische Männer regelmäßig mit. Inzwischen gibt es eine weitere ukrainische Familie im Ort, die beiden Mädchen waren im Januar einmal im Training. Stein will sie überreden, damit sie öfters kommen. Die beiden Mädels wohnen mit ihren Eltern übrigens in einem Haus, das leer stand und ein Spieler des Vereins zur Verfügung gestellt hat.
Ein Verein, der auch von ukrainischen Spielerinnen profitiert, ist die TSG Thannhausen und hier speziell die Damen in der Oberliga. Diese stehen dank dreier Ukrainerinnen (Anastasiia Khachaturova ist inzwischen wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt) noch ungeschlagen an der Tabellenspitze. Und nicht nur das: Der Abteilung wurde schon Anerkennungspreises des Präsidenten vom Bezirk Schwaben (Martin Sailer) in der Kategorie „Sport und Soziales – Inklusion und Flüchtlingsprojekte“ verliehen. „Für uns ist das absolut positiv, die Mädels identifizieren auch mit der Mannschaft“, betont Abteilungsleiter Stefan Herold. „Wir waren bei der Wohnungssuche behilflich.“
Unterstützung bei Wohnungssuche und Behördengängen
Vor einem Jahr hatte der jüdische Verein TSV Maccabi München geflüchtete Tischtennisspieler (oder solche, die es werden wollten) eingeladen, im Verein zu trainieren und hat ihnen eine kostenlose einjährige Mitgliedschaft angeboten (die nun verlängert wird). Davon machten einige Gebrauch. „Wir haben etwa 15 ukrainische Spieler, die im Spielbetrieb integriert sind. Aber auch welche, die nur trainieren“, erzählt Elena Gileles (geborene Yermakovych), stellvertretende Vorsitzende der TSV-Abteilung Tischtennis. Alle, die vor einem Jahr gekommen seien, sind bei der Stange geblieben. „Wir haben die Spieler auch bei vielen Dingen unterstützt.“ Sei es bei der Wohnungssuche, Behördengängen, Anmeldung von Sprachkursen und Ausfüllen von Unterlagen. „Vom Kind bis zur Oma“, schmunzelt Gileles. Eine junge Frau wurde zudem per Minijob als Tischtennistrainerin im Verein angestellt, eine 20-Jährige, die nach einem befristeten Mietverhältnis fast auf der Straße gelandet wäre, geholfen, damit sie in einem Mädchenwohnheim unterkommen konnte. Der TSV Maccabi München hat drei Herren- und zwei Jugendmannschaften. Der Abteilungsleiter Sergej Rakovski stammt wie Gileles ebenfalls aus der Ukraine.
Elfjähriges Talent sorgt in Bad Königshofen für Aufsehen
Volodymyr „Vova“ Nevizhyn ist beim TSV Bad Königshofen untergekommen. Der Elfjährige war zuvor ein halbes Jahr beim ttv berlin eastside gemeldet, für die Jugend 19 ist er nun seit Januar im Einsatz hat einen TTR-Wert von 1609, Ende Juni lag dieser noch bei 1398. Auch in der vierten Herrenmannschaft kam Nevizhyn, der mit Head-Coach Koji Itagaki trainiert, auch schon zum Einsatz und gewann alle vier Einzel. Sein Weg zeigt also steil nach oben. Im Februar holte er bei den ukrainischen Schülermeisterschaften dreimal Gold und einmal Silber. Auf seinem Facebook-Profil hat er Fotos gemeinsam mit Bastian Steger und Kilian Ort mit dem Zusatz „Erstes Bundesliga-Spiel dabei gewesen. Mein Team hat gewonnen. Krass“ gepostet.