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Personal/Hintergrund  

Warum schießt mich keiner durch Sonne, Mond und Sterne?

Gräfelfings Abteilungsleiter Christopher Triep berichtet über den Stellenwert von Tischtennis in China und die dortigen Strukturen

Christopher Triep verbringt insgesamt fünf Monate in China

Christopher Triep (24) wurde bereits mit 21 Jahren Abteilungsleiter des TSV Gräfelfing. Derzeit absolviert der Spieler des Oberliga-Tabellenführers ein fünfmonatiges Auslandssemester in Ningbo, China. Der Master-Student der TU München (Management und Technologie) berichtet auf der BTTV-Homepage in vier Teilen vom Leben, Studieren und natürlich vom Tischtennisspielen in der Millionenstadt an Chinas Ostküste. Im ersten Teil ging es um das Uni-Leben in Ningbo, im zweiten Teil erzählte Christopher, wie er seine Abteilung aus der Ferne managt. Um Tischtennis im Reich der Mitte und seinen Stellenwert soll es im dritten und vierten Teil gehen.

Teil 3: Tischtennis an der Uni und die Strukturen im Reich der Mitte

nĭ hăo (chinesisch für: Hallo, Guten Tag),

grundsätzlich bietet meine Universität in Ningbo ganz unterschiedliche Clubs, Sportclubs, aber auch musikalische oder kulturelle Clubs an. Da sich für die meisten das komplette Leben auf dem Campus abspielt, bilden diese Universitätsclubs eine umfangreiche Abwechslung zu Vorlesungen und Bücherbüffeln, wie bei uns eben private Sportvereine. In den Sportclubs bilden die besten Sportler gleichzeitig die Schul-Mannschaft, die dann in diversen Wettkämpfen die UNNC gegen andere Universitäten vertritt.

Der Tischtennis-Club hat einmal in der Woche Training, jeden Freitag, da dürfen alle Mitglieder mitmachen. Zusätzlich gibt es das Schulteam, das dann zweimal pro Woche trainiert, dienstags und donnerstags. Jeden Mittwoch gibt es zudem für das Schulteam ein zweistündiges, professionelles Gym-Training mit zwei Personal-Trainern, wobei wir Tischtennis-Spieler mit den Tennis-Spielern zusammen sind. Bei dem Gym-Training werden gesondert Kraft, Ausdauer, Kondition und Koordination trainiert. Grundsätzlich mache ich diese insgesamt vier Einheiten pro Woche mit. Darüber hinaus verabrede ich mit noch mit anderen zum Training. Die Halle hat täglich von 8 Uhr morgens bis 22 Uhr am Abend geöffnet, da kann man praktisch immer rein, jeden Tag ist Training möglich. Ich suche mir ab und zu Leute, die mit mir extra trainieren möchten. Da die Chinesen sehr fleißige Studenten sind, wurde mir auch schon öfters aufgrund von Lernstress abgesagt!

Die besten 6 kommen ins Schulteam

Um in die Schulmannschaft  zu kommen, gab es anfangs ein „Try out“. Es wurde ein internes Turnier ausgespielt, um die besten Spieler der Uni zu ermitteln. Die besten sechs Spieler durften in das Schulteam eintreten. Für mich war es sehr interessant zu sehen, wie nervös alle Teilnehmer beim „Try out“ waren. Es wurde mir sehr schnell klar, wie wichtig es für alle Studenten ist, in die Schul-Mannschaft berufen zu werden. Für mich kam das Schulteam nicht infrage, weil ich nur ein Semester da bin, man aber mindestens ein Jahr an der Uni sein müsste. Da ich aber ein gewisses Spielniveau mitbringe, darf ich alle Vorzüge genießen und eben mit der Schul-Mannschaft trainieren.

Stellenwert von Tischtennis ist hoch, in den Hallen ist immer was los

Der Stellenwert von Tischtennis ist in China sehr hoch. Das sieht man schon allein daran, dass in der Tennis-Schulmannschaft kein einziger Chinese ist. Im Gegensatz dazu bin ich im Kader der Tischtennis-Schulmannschaft der einzige Ausländer. Tischtennis ist populärer als Tennis, was bei uns ja eher anders ist. Was auch sehr auffällig ist: Grundsätzlich ist in der Halle immer was los. Die Halle hat insgesamt 14 Tische und es sind immer viele Tische belegt, acht bis zehn im Durchschnitt. Vor allem abends ist es voll.

Ähnlich viele Mädels wie Jungs

Was ich bemerkenswert finde ist, dass die Geschlechteraufteilung recht gleich ist. In Deutschland haben wir aktuell das Problem, dass immer weniger Mädchen und Frauen Tischtennis spielen. Da die Verteilung hier bei fast 50:50 liegt, besteht diese Problematik in China definitiv nicht.

Da ich mich nur selber als Maßstab nehmen kann, fällt es mir schwer, das Niveau einzuschätzen. Ich würde sagen, das Schulteam könnte in der Verbandsoberliga spielen, der früheren Bayernliga. Es gibt drei Spieler, die sind auf einem ähnlichen Level wie ich, die anderen drei sind ein bisschen schlechter. Die, die nicht im Schulteam sind, fallen dann vom Niveau ab. Auch wenn der Trainer mich persönlich nicht wirklich überzeugt, besteht unser Training aus klassischen regelmäßigen und unregelmäßigen Übungen, Balleimer- und Aufschlagtraining.

Provinzteam ähnlich wie der bayerische Kader

Die meisten Chinesen haben in relativ jungen Jahren, 8 - 10 Jahren, sehr viel Tischtennis gespielt. Vor allem die besseren waren im Provinz-Team, welches von der Struktur mit unserem Bayerischen TT-Kader verglichen werden kann. Ähnlich wie im Leistungszentrum in München trainiert das Provinzteam an einem Ort, schlafen dort auch, es gibt eine super Halle, ein Gym, haben jeden Tag Krafttrainig und trainieren zwei- bis dreimal am Tag Tischtennis. Das sind dann schon richtige Pro's. Wer da zwei, drei Jahre dabei war, der kann schon sehr gut Tischtennis spielen.

Im Provinz-Team gibt es am Ende zwei Wege. Entweder sie schaffen es, eine Profi-Karriere einzuschlagen oder sie hören mit 15, 16 Jahren mit Tischtennis auf, um sich auf die Schule zu konzentrieren. Später im Studium fangen die meisten dann wieder an. Aufgrund der hohen Trainingsintensität in ihren jungen Jahren, sind die Spieler extrem gut im Trainieren von Übungen und haben eine unglaubliche Antizipation für den Ball. Im Match selbst unterlaufen ihnen aber mehr einfache Fehler, weil sie aufgrund der längeren Pause nie kontinuierlich durchtrainiert haben.

Warum schießt mich keiner durch Sonne, Mond und Sterne?

Was ich mich die ganze Zeit frage: Warum gibt es die nicht, die mich durch Sonne, Mond und Sterne schießen?

Dies hat vor allem zwei Gründe. Zum einen, weil alle Spieler während ihres Schulabschlusses komplett aufgehört haben, Tischtennis zu spielen. Zum anderen, weil meine Universität das Sportförderungsprogramm nicht anerkennt. In China haben junge Spieler die Chance, durch sportliche Leistungen zusätzlich Punkte zu ihrem Schulabschluss dazuzubekommen. Dazu muss man einer der besten Spieler im Provinz-Team sein und sich für die Profi-Karriere entscheiden. Trifft das auf jemanden zu, wird er auf einer staatlichen Universität durch Zusatzpunkte für die Aufnahme und später auch in der Bewertung von Prüfungen unterstützt. Da meine Universität ein Ableger einer englischen Universität ist, wird dieses System hier nicht anerkannt und es gibt hier eben nicht die Super-Spieler.

Tischtennis als Türöffner

Als aktueller Organisator der Hochschulmannschaft der Universitäten in München kann ich zusammenfassend sagen, dass die Bedeutung des Uni-Sports hier ein deutlich höherer ist, als ich es aus Deutschland kenne. Tischtennis ist für mich ganz klar ein Türöffner. Es ist für mich einfach eine sehr gute Möglichkeit, mit Chinesen, auf einem sehr lustigen, sehr freundschaftlichen und kumpelhaften Niveau miteinander umzugehen. Ich kann soziale Barrieren, wie die starke Schüchternheit der Chinesen einfach umgehen. So geht man gemeinsam essen, erfährt, wie die Chinesen aufgewachsen sind, in welchen Verhältnissen und generell viel über die chinesische Kultur. Am Ende werde ich nicht nur besser im Tischtennis, sondern ich lerne darüber auch die Kultur viel besser kennen.

Im vierten und letzten Teil in der kommenden Woche berichtet Christopher Triep über Turniere, die er in China gespielt hat, warum er beliebtes Fotomotiv war und ist und warum häufig die Smartphones im Training auf den Tischen liegen. Seid gespannt!

Zu Teil 1: Das Uni-Leben in Ningbo

Zu Teil 2: Wie man die Abteilung aus der Ferne managt

Die Tischtennis-"Abteilung" der Uni Ningbo mit Christopher in der Mitte (Alle Fotos: privat)
Teile der Schulmannschaft von Ningbo mit Christopher
Die TT-Halle der Uni
Training der Schulmannschaft
Koordinations- und Konditions-Training findet einmal pro Woche für die Schulmannschaft statt
Die Gym-Halle der Uni
Weiteres Foto aus dem Gym
Das Sport-Gebäude der Uni
Christopher ist seit drei Jahren Abteilungsleiter des TSV Gräfelfing

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