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Beeindruckende Tischtennis-Reportage aus Uganda / Mit Video

Mark Winter schildert seine Erlebnisse und Eindrücke vom Slum-Ping-Pong-Projekt / Sabine Winter ist Schirmherrin

Als Bazira Emmanuel Bale und „seine“ Kinder in Kampala (Uganda) im Juni 2018 ein Video sehen, wie Sabine Winter tausende Kilometer entfernt auf einem Berg Tischtennis spielt, schreibt er sie via Facebook an und erzählt er, wie toll er und die Slumkinder den Clip finden. Es entwickelt sich ein intensiver Kontakt, Sabine wird auf Bales Projekt Slum Ping Pong (SPP) aufmerksam und ist angetan davon. Bale hatte im Februar 2017 angefangen, mit ganz wenig Budget (nicht einmal 150 Euro im ersten Jahr) das Tischtennis-Projekt für die Slumkinder ins Leben zu rufen. Die Nationalspielerin aus Seefeld-Hechendorf fängt an, Geld für SPP zu sammeln, indem sie ihre Trikots versteigert und Spenden-Aktionen durchführt. In den Monaten nach dem Erstkontakt kommt eine Summe von 1000 Euro zustande – enorm viel Geld für die Kinder in Nsambya, einem sehr armen Viertel ca. drei Kilometer von Kampala Stadtzentrum entfernt. Mit dem Geld werden z. B. für die Kinder, die bislang barfuß liefen, Schuhe für 3 Euro das Stück gekauft. Ein Mittagessen für 50 Kinder während eines Trainings-Lehrgangs kostet 12 Euro, und für 135 Euro konnten zwölf Kinder plus zwei Trainer an einem Tischtennis-Turnier teilnehmen, übernachten, dort essen und in ein Schwimmbad gehen. Ein absolutes Highlight für die Gruppe.

Mittlerweile ist Sabine Winter Schirmherrin von SPP, im Mai dieses Jahres hat ihr Vater Mark die Gegend in Kampala, die Slums und Bazira Bale besucht. Seine Eindrücke schildert er in diesem Beitrag:

Wie Sabine stehe ich auch seit längerem in Kontakt mit Bazira (23), seinem Bruder und weiteren Beteiligten von SPP. Mich hat das Projekt von Anfang an begeistert und im Mai hat es endlich mit einem Besuch in Uganda geklappt. Leider konnte Sabine wegen anderer Termine nicht mitkommen. Kampala mit seinen ca. zwei Millionen Einwohnern liegt fast direkt am Äquator, 1200 Meter über dem Meeresspiegel. Die Sonne geht immer um 7 Uhr auf und um 19 Uhr unter, das ganze Jahr hindurch. Die Temperaturen liegen immer zwischen 16 Grad nachts und 26 Grad am Tag, nur die Regen-Menge ist variabel.

Ich bin bei meiner Reise abends um 23 Uhr in Entebbe bei Kampala angekommen und wurde von vier SPP-Trainern samt Blumenstrauß empfangen und mit einem geliehenen Pickup abgeholt. Es war ein spannendes Gefühl, die Leute, die ich inzwischen gut über WhatsApp kannte, live zu treffen. Mein Plan war es, zwei Wochen zu bleiben. Ich wollte sehen, wie meine Freunde dort leben. Safaris oder andere Touristenattraktionen kamen nicht infrage für mich. Ich habe mich in einem Hostel in der der Nähe der Railways-Schule, deren Halle SPP gratis nutzen darf, einquartiert.

5 Tische für 90 Kinder

Am nächsten Tag bin ich die 300 Meter zu Fuß zur Halle gelaufen. Ich habe nie gedacht, dass 300 Meter so eindrucksvoll sein könnten, einfach weil es so anders war, zu dem, was ich bisher in meinem Leben gesehen hatte. Zu dem Zeitpunkt waren Schulferien, sodass fünf bis sechs Stunden Tischtennis am Tag anstanden. An der Halle waren ca. 90 Kinder zwischen 5 und 14 Jahren, fünf Tische standen dort, davon ist einer in einem guten Zustand. Klar können nicht 90 Kinder alle gleichzeitig spielen, die kleineren schlagen einen Ball gegen eine Wand oder lassen den Ball auf dem Schläger springen. Alle waren beschäftigt und alle waren glücklich. Ich war sehr erstaunt vom Tischtennis-Niveau der Kinder, die seit Beginn des Projekts dabei sein. Ich schätze, mindestens zehn Kinder hatten einen TTR-Wert von 1400 und waren auf dem Niveau des Oberbayern-Kaders. Alle waren motiviert und höflich. Die Halle war alt und reparaturbedürftig, aber sonst in Ordnung. Der Boden war aus Beton und das Dach fast dicht.

2 bis 5 Quadratmeter Raum pro Person

Am zweiten Tag bin ich mit den SPP-Trainern und den Kindern Mittagessen gegangen. Wir waren insgesamt 95 Leute, die die Straße entlang gegangen sind zu den Slum, wo drei Mütter von SPP-Kindern das Essen vorbereitet hatten. Es gab Gemüse mit Reis. Obwohl jeder von uns schon Bilder von Slums im Fernsehen gesehen hat, kann ich nur sagen, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht richtig kapiert habe, was ein Slum wirklich ist. Hier war der Slum so groß wie ein Fußballplatz, in einer sonst sehr armen aber nicht ausschließlichen Slum-Gegend. Im Slum selber stehen einfache Hütten aus Holz, Wellblech und Plastikplanen. Es gibt kein Leitungswasser, kein Strom, keine Toiletten, zumindest nicht in den Hütten. Viele Menschen leben auf sehr wenig Raum, ca. 2-5 m² pro Person. Es gab ein Toilettenhaus, ein gemeinsames Wasserhahnstelle und – was sehr gefährlich war – inoffiziell gekaperten Strom, der glaube ich hauptsächlich für Licht benutzt wurde.

Kinder sind begeistert, höflich, talentiert

Die begeisterten, höflichen und talentierten Tischtennis-Kinder die kurz vorher so toll in der Halle gespielt hatten, kommen aus so einem Slum. Das ist eigentlich unvorstellbar. SPP-Gründer Bazira sagt, dass 90 Prozent der SPP-Kinder aus einem Slum sind. In Nsambya gibt es fünf solcher Slums. Ich habe die Slums auch während Regen erlebt. Schlamm und dreckiges Wasser fließen dann die Wege hinunter. Die Leute sind trotzdem glücklich, wenn sie ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen haben.

Jeden Tag habe ich Sachen erlebt, die ich eigentlich für unmöglich hielt. Frauen haben in einem schmutzigen Bach die Wäsche gewaschen, eine Frau kniete sich vor Bazira in den Schlamm, um ihm zu danken, dass er sich um ihr Kind kümmert. An einem Tag bin ich mit Bazira und seinem Bruder zur St. Charles Schule in Katwe Slum gefahren, wo SPP Tischtennis anbieten wollte. Der Schulleiter war froh, uns zu sehen und hatte wahrscheinlich auch auf ein wenig Unterstützung gehofft. Ich fragte ihn nach einem Lehrergehalt: 85 Dollar im Monat plus Übernachtung. Die Unterkunft war eine 10m² Hütte ohne Strom für vier Leute. In nächstem Zimmer, genau so klein, waren 3x3 Stockwerkbetten aufgestellt. Der Schulleiter sagte, dass diese für Straßenkinder seien. Ich fragte: „9 Kinder in so einem kleinen Zimmer?“ Er antwortete: “Nein. 18 Kinder, zwei pro Matratze.”

SPP bietet nicht nur Tischtennis an / Schulbesuche und Malaria-Behandlung

Der Motto von SPP ist “Slum Ping Pong for Positive Social Change”. Einem guten Werbeslogan denkt man vielleicht. Aber es ist wirklich wahr. Slum Ping Pong bietet nicht nur Tischtennis an. Inzwischen gibt es acht Kinder, die auf die Schule gehen. Einige Hilfen kamen aus Deutschland. Die Spieler der SpVgg Thalkirchen, die Raccoon Rackets, haben zum Beispiel einen „Health Cost Fund“ eingerichtet. Ein Grundschulbesuch kostet ca. 70 Euro im Jahr, eine Malaria-Behandlung 20 Euro. Beides ist für Familien aus dem Slum nur schwer zu bezahlen. Wir hoffen, dass es bald 20 bis 30 Kinder gibt, die die Schule finanziert bekommen. Es gibt auch nationale Tischtennis-Wettkämpfe auf einer Secondary School (Kinder von 15 bis 18 Jahre) und eine Uni. Die ersten drei SPP-Kinder haben schon ein kostenloses Stipendium auf der Secondary School aufgrund ihrer Tischtennis-Fähigkeiten erhalten. Irgendwann wird es ein SPP-Kind auf die Uni schaffen. Ich bin auch absolut überzeugt, dass SPP-Kinder irgendwann international im Tischtennis für Uganda spielen und bei den African Games oder ähnlichen Turnieren teilnehmen werden.

Traum: Ein SPP-Kind spielt irgendwann international für Uganda

In zwei Wochen habe ich, außerhalb meinen Hostels, wo ein paar Journalisten und Hilfsarbeiter aus Europa waren, drei weiße Leute gesehen und unzählige schwarze. Man sollte in der Gegend, wo ich war, nachts nicht herumspazieren, aber tagsüber bin ich öfters alleine unterwegs gewesen. Und obwohl manche Sachen einfach komplett anders waren, um sich wirklich wohlzufühlen, fühlte ich mich nie bedroht und bei einem Lächeln kam meistens einen Lächeln zurück.

Im Dezember 2018 hat sich SPP erfolgreich bei dem „ITTF Foundation Dream Building Fund“ beworben und vor einem Monat ist das erste Geld angekommen. SPP hat sieben neue Tische gekauft und in zwei weiteren Grundschulen und einem Tagesheim für behinderte Kinder Tischtennis kostenlos angeboten. Es gibt über 100 Kinder die regelmäßig mehrmals die Woche Tischtennis spielen und bald werden es wahrscheinlich mehr als 200 Kinder sein. Zum ersten Mal seit Februar 2017 werden SPP Trainer von dem „Dream Building Fund“ bezahlt, sie erhalten 70 Cent die Stunde. Ein Traum, der für Bazira, seine Freunde und viele Kinder wahr geworden ist. Unglaublich wie viel mehr als nur ein Spiel Tischtennis sein kann.

Meine Erwartungen von Slum Ping Pong sind übertroffen worden. Wir werden das Projekt weiterhin unterstützen und ich freue mich auf meinen nächsten Besuch.“

Mark Winter

Zum Video (10 Minuten) von Mark Winter über seine Reise nach Kampala

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