Schiedsrichter-Lehrbrief  /  Nr. 4
zuletzt überarbeitet im August 2004

Thema:  Schlägerwechsel

Darf der Schläger während eines Einzel- oder Doppelspiels nun gewechselt werden, oder nicht?

 

Viele Sportfreunde – nicht nur Schiedsrichter - haben mich in den letzten Monaten immer wieder auf das Problem „Schlägerwechsel“ angesprochen und mich gebeten dazu im „bayern tischtennis“ Stellung zu nehmen. Die meisten der Fragesteller bemängeln die nicht eindeutige Regelformulierung und die damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Auslegung sowie bei der praktischen Anwendung der Regel im Spielbetrieb. Ich stimme den Sportfreunden uneingeschränkt zu. Die Regel ist tatsächlich nicht logisch aufgebaut und schwer nachvollziehbar und kann somit durchaus zur allgemeinen Unsicherheit beitragen.

Deshalb will ich die Problematik an dieser Stelle auflösen.

Gleich zu Beginn stelle ich jedoch fest: Grundsätzlich ist ein Schlägerwechsel während eines Einzel- oder Doppelspiels möglich. Es müssen nur bestimmte Kriterien erfüllt sein. In allen Sportarten, in denen mit Spielgeräten agiert wird, die dazu dienen einen Spielball zu schlagen, ist der Austausch bzw. Ersatz des Spielgerätes zulässig. Beim Tennis, Hockey, Squash, Badminton, usw. kann jederzeit ein Schläger während eines Spieles durch einen anderen ersetzt werden. Nicht anders ist es beim Tischtennissport. Nur hier ist dies beschränkt auf den beschädigten Schläger. Also wäre es folgerichtig, wenn die allgemeine Tischtennisregel dazu lautete: „Wenn während eines Spieles ein Schläger zerbricht oder so beschädigt wird, dass man nicht mehr damit spielen kann, darf er durch einen anderen Schläger ersetzt werden. Der Ersatzschläger muss dem Schiedsrichter zur Kontrolle überreicht und (auf Verlangen) auch dem Gegner gezeigt werden. Das Spiel ist danach ohne weitere Unterbrechung unverzüglich fortzusetzen.“

Im allgemeinen Regelwerk (Tischtennisregel 1 bis 15) findet man in Regel 4 - Der Schläger unter Absatz 4.8 leider nur den Satz: „Vor Spielbeginn und jedes Mal, wenn er während des Spieles den Schläger wechselt, muss der Spieler seinem Gegner und dem Schiedsrichter den Schläger zeigen, mit dem er spielen will, und muss ihnen gestatten den Schläger zu untersuchen.“

Wenn man die allgemeinen Tischtennisregeln für sich allein betrachtet, könnte man zu dem Schluss gelangen, dass ein Schlägerwechsel jederzeit möglich ist. Man muss lediglich nach jedem Wechsel dem Gegner und dem Schiedsrichter gestatten den Schläger zu untersuchen. Im Bereich des DTTB wurde dies allerdings bereits vor acht Jahren (vgl. dazu DTS 7/94) vom DTTB-Schiedsrichter-Ausschuss für unzulässig erklärt, weil ein beliebig häufiges Wechseln des Schlägers immer wieder zu Unterbrechungen führen würde, die mit der Bestimmung „Ununterbrochenes Spiel“ (BIV 4.4.1, in: ITTF-Regeln, Deutsche Ausgabe 1993 – heute: BIV 3.2.3.9) nicht vereinbar waren. Darüber gab es damals differenzierte Meinungen, auch von Seiten der ITTF. Auch der Fachautor Hans Giesecke schrieb noch 1999 in seinem Taschenbuch „Das Schiedsrichter 1x1 im Tischtennis“, dass ein Schlägerwechsel zwischen zwei Ballwechseln jederzeit möglich sei (vgl. dazu: Giesecke, S. 55). Aber ein nationaler Verband hat schließlich das Recht die Bestimmungen so auszulegen, wie er es für richtig hält. Und dies hat er eben getan und letztendlich auch durchgesetzt. In den allgemeinen Tischtennisregeln finden wir tatsächlich keine weiteren Erläuterungen zum Schlägerwechsel.

Man darf sich schon fragen, warum der Gesetzgeber (ITTF-Council) in den allgemeinen Tischtennisregeln nicht eindeutig und klar herausstellt, dass er nur den Ersatz eines beschädigten Schlägers akzeptiert. Aber vielleicht hat es der Gesetzgeber nicht für notwendig empfunden. Denn die „Internationalen Tischtennisregeln“ (ITTR) und die „Bestimmungen für internationale Veranstaltungen“ (BIV) überlagern sich in vielfältiger Form, ja sie ergänzen sich gegenseitig. So enthalten die „Bestimmungen für internationale Veranstaltungen“ häufig Präzisierungen, Erweiterungen und Erläuterungen zu den Tischtennisregeln. Dies ist auch beim Thema „Schlägerwechsel“ der Fall.

Zunächst sollten uns die Bestimmungen zum „Spielgerät“ in BIV, Abschnitt 4 – Spielabwicklung weiter helfen. Hier werden wir unter BIV 4.2.2 fündig. Dort steht: „Zerbricht ein Spieler seinen Schläger während des Satzes, so muss er ihn unverzüglich durch einen anderen ersetzen, den er mitgebracht hat oder der ihm in den Spielraum (die Box) gereicht wird.“

Damit ist also klar: Ein zerbrochener Schläger darf während eines Spieles durch einen anderen ersetzt werden. Danach greift wieder die ITTR 4.8. Vor Fortsetzung des Spieles muss der Schiedsrichter den Schläger auf Zulässigkeit kontrollieren, und auch der Gegner hat das Recht dazu, den Schläger in Augenschein zu nehmen.

Jetzt kommen wir der Lösung schon näher. Wenn der Gesetzgeber ausdrücklich den Ersatz eines zerbrochenen Schlägers im Regelwerk beschreibt, so darf man davon ausgehen, dass er den Austausch eines unbeschädigten Schlägers nicht vorsieht. Dieser Wille des Gesetzgebers wird dann auch im Abschnitt 5 – Disziplin der BIV deutlich. Dort formuliert er in Absatz 5.2 – Fehlverhalten in Punkt 5.2.5.: „Während eines Einzel- oder Doppelspiels darf ein Schläger nur dann gewechselt werden, wenn er zufällig so stark beschädigt wird, dass er nicht mehr benutzt werden kann.“

Jetzt stellt sich allerdings die Frage, ob der Gesetzgeber damit im Umkehrschluss das absichtliche Beschädigen eines Schlägers als grobe Unsportlichkeit bewertet haben will, und damit dem Oberschiedsrichter entsprechende Sanktionsmöglichkeiten an die Hand gibt (vgl. dazu BIV 5.2.8). Was der Gesetzgeber unter unsportlichem Verhalten versteht, hat er beispielhaft in BIV 5.2.1 aufgeführt. Dazu gehören u. a. den Ball absichtlich zerbrechen, Schlägerwechsel ohne Ankündigung, usw.

Hier beginnen nun wirklich die Probleme bei der Bewertung der Regelwerks, auch für den Sachverständigen. Also, -   „Schlägerwechsel ohne Ankündigung“ ist eine unzulässige Verhaltensweise. Ist dann ein „Schlägerwechsel mit Ankündigung“ ein regelkonformes Verhalten? Ja, - aber nur dann, wenn der Spieler nachweisen kann, dass sein „alter“ Schläger so stark beschädigt wurde, dass er nicht mehr benutzt werden kann (BIV 5.2.5). Und diese Beschädigung muss zufällig passiert sein. Wenn eine absichtliche Beschädigung nachgewiesen werden kann, darf der Oberschiedsrichter den Spieler gemäß BIV 5.2.8 wegen grob unfairem Verhalten disqualifizieren. Diese Disqualifikation wird dann in der Regel für das laufende Spiel ausgesprochen. Der Spieler könnte also z. B. in einem Mannschaftskampf sein nächstes Einzel- oder Doppelspiel mit einem anderen Schläger bestreiten. Es sei denn sein unsportliches Verhalten wird vom Oberschiedsrichter als so schwerwiegend beurteilt, dass er zur nächsten Sanktionsstufe greift und den Spieler für den gesamten Mannschaftskampf oder Wettbewerb disqualifiziert. Sicherlich folgt jetzt, insbesondere von den kritischen Schiedsrichterkameraden, gleich die Frage, in welchem Fall man als Oberschiedsrichter zu einer solchen Maßnahme greift? Als Beispiel sei hier angeführt: Ein Spieler wirft während eines Spieles oder einer Satzpause seinen Schläger aus Verärgerung über sein schwaches Spiel an die Hallenwand, der Schläger zerbricht in mehrere Teile, die von der Wand zurückprallen, einen Zuschauer am Kopf treffen und eine Platzwunde verursachen. Aber wohlgemerkt, dies ist bloß ein Beispiel. Jeder Oberschiedsrichter hat die Pflicht jeden Einzelfall sorgfältig zu bewerten und zu einem eigenständigen Urteil zu gelangen. Gott sie Dank sind solche unsportlichen Verhaltensweisen beim Tischtennissport weniger zu beobachten. Deshalb verbietet es sich auch an dieser Stelle als Praxishilfe für die bayerischen Schiedsrichter festgeschriebene Handlungsanweisungen zu geben.

Nach dem ersten Entwurf dieses Artikels hat mich unser Lehrwart Süd, Gerhard Maurer auf eine weitere interessante Variante aufmerksam gemacht. Er schilderte mir folgenden Fall, der ihm persönlich als Schiedsrichter passiert ist: „Bei einem Einzelspiel ließ ich mir vor Beginn des Einspielens die Schläger der beiden Spieler zeigen. Ein Spieler hatte dabei einen schwarzen Noppenbelag auf einer Seite. Nach dem Einspielen ging der Spieler zu seiner Sporttasche und holte sich ein Handtuch. Bei dieser Gelegenheit wechselte er den Schläger in einen, der den Noppenbelag genau in der anderen Farbe aufwies. Als ich ihn darauf hin ansprach, war seine Begründung für das Nichtanzeigen des Schlägerwechsels, dass dies ja nicht während sondern vor dem Spiel gewesen sei.“

Wie reagieren wir auf eine solche Argumentation als Schiedsrichter?

Zunächst liegt hier eindeutig eine sehr unfaire und ausgesprochen unsportliche Verhaltensweise vor, weil hier eine vorsätzliche Täuschung des Gegner zu unterstellen ist. Dann liegt natürlich auch der Tatbestand eines Schlägerwechsels ohne Ankündigung vor (vgl. dazu BIV 5.2.5, 2. Satz), der zur Einschaltung des Oberschiedsrichters führt. Das Gegenargument des Spielers, dass der Schlägerwechsel vor dem eigentlichen Spielbeginn liegt, lasse ich nicht gelten. Wenn die Spieler nach Betreten der Box dem Schiedsrichter den Schläger zur Kontrolle übergeben, müssen alle Beteiligten davon ausgehen dürfen, das mit diesen Schlägern auch gespielt wird. Hans Giesecke schreibt in seinem „SR 1x1“ zur Fragestellung des Schlägerwechsels während der zweiminütigen Einspielzeit: „Kein Problem, solange dadurch diese Zeit nicht verlängert wird. So hat übrigens auch der SR-Ausschuss des DTTB entschieden.“ (Giesecke, S. 55). Mir persönlich ist eine Veröffentlichung des DTTB-SRA zu dieser Fragestellung nicht bekannt. Ich sehe diesen Sachverhalt zwiespältig und will hier einen Kompromiss anbieten. Wenn ein Spieler in der Einspielphase tatsächlich nach den ersten Ballwechseln feststellt, dass er lieber mit einem anderen Schläger seinen Erfolg suchen will, dann hat er dies zunächst dem Schiedsrichter anzuzeigen, der ihm die Genehmigung dazu erteilt. Die Akzeptanzgrenze sehe ich hier bis zur Hälfte der Einspielzeit. Danach würde ich ein solches Vorgehen als Unsportlichkeit bewerten und den Oberschiedsrichter einschalten. Die Einschaltung des Oberschiedsrichter ist auch deshalb erforderlich, weil eventuell über die Verlängerung der Einspielzeit entschieden werden muss. Und diese Entscheidung darf gemäß BIV 4.3.1 nur der Oberschiedsrichter treffen. Die Verlängerung wird deshalb erforderlich sein, weil dem Gegner gemäß BIV 4.3.3 ausreichend Gelegenheit gegeben werden muss, den neuen Schläger zu prüfen und sich mit den möglicherweise veränderten Spieleigenschaften dieses Schlägers vertraut zu machen. Wenn wir dem Gegner das Recht absprechen würden, sich nach Austausch des Schlägers ausreichend mit dem neuen Material vertraut zu machen, dann erzeugen wir einen Nachteil für den Gegner. Dies würde in einem solchen Fall den „unsportlich“ handelnden Spieler sogar noch bevorteilen, und dies will sicherlich niemand. Wie geht es nun weiter? Nach Austausch des Schlägers überprüft der Schiedsrichter den neuen Schläger auf Zulässigkeit. Danach hat der Spieler dem Gegner den neuen Schläger zu zeigen. Dann folgen noch einige Ballwechsel gegen das neue Material, gemäß Festlegung des Oberschiedsrichter und das Spiel kann mit dem ersten Aufschlag beginnen.

Liebe Sportfreunde, an diesem kleinen Beispiel wird sehr deutlich, wie komplex sich die Regelauslegung in der Fragestellung „Schlägerwechsel“ gestaltet. Deshalb hoffe ich sehr, dass meine Ausführungen dazu beitragen, eine einheitliche Auslegung und Umsetzung im Bereich des Verbandes zu erreichen.

Joachim Car

Verbandsfachwart SR-Lehrwesen